Aus: Panoptikum – Tage wie diese (2010)
Hab ein neues Schwimmbad entdeckt. Klein und gemütlich, nicht so voll. Ideal. Das Problem ist, dass man sich ohne Brille spätestens nach dem Umziehen orientieren muss. Ist erstmal nicht so schlimm, man kann ja langsam die Sachen in den Spind einräumen und die Leute beobachten, die in die Duschen gehen. Dann weiß man, wo man hin muss, ohne Angst haben zu müssen bei dem Versuch, das Schild zu lesen, die Tür an den Kopf geschlagen zu bekommen. Geschafft, bin drin. Herrlich.
Für den Schwimmverein sind zwei Bahnen abgesteckt und die Eltern sitzen gegenüber den Duschen an der Fensterfront und schauen ihren Kindern zu. Wie langweilig.
So, fertig. Raus und duschen. So lässig wie möglich nehme ich mein Handtuch, suche unauffällig meine Badeschlappen und gehe zielstrebig Richtung Damendusche. Warum glotzt der Bademeister denn so? Lüsterner Typ. Ich öffne die Tür, ärgere mich noch ein bisschen und … stehe in der Herrendusche. Zuerst ist mir das nicht so klar, weil die Person, die mir ihren Hintern hinstreckt und sich die Beine schrubbt, durch meine Kurzsichtigkeit nicht sofort zu identifizieren ist.
Aber die Art, wie er sich wäscht, so ungewohnt brutal, lässt einen unangenehmen Verdacht in mir aufkeimen. Zur Sicherheit drehe ich mich in die Richtung, aus der weitere Duschgeräusche kommen und fühle mich eiskalt bestätigt. Jetzt dreht sich der mir nähere Schrubber um und sieht mich an. Den Gesichtsausdruck kann ich Gott sei Dank nicht erkennen. Ein knappes, aber deutliches „Entschuldigung!“ und raus.
Der Bademeister steht mit verschränkten Armen am Beckenrand und starrt immer noch. O.k., o.k., ich hab’s kapiert!
Aus der Elternecke kann ich hysterisches Lachen hören. Peinlich. Ich lasse mir viel Zeit beim Duschen, weil ich keinem der beiden Herren, die ich eh nicht wiedererkennen würde, über den Weg laufen möchte.
Aber: Pech für die, dass sie nicht wissen, wie kurzsichtig ich bin und Glück für mich, dass die zuerst in der Dusche waren.
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